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Literatur und Psychiatriegeschichte

Im Rahmen von outside | inside | outside – Literatur und Psychiatrie trafen sich Literatur- und Geschichtswissenschaft: Die LWL-Literaturkommission für Westfalen und das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte zeigten zwei Romane über psychische Krisen und Heilungsmethoden. In der Gemeinschaftsveranstaltung beider Institute wurden die Romane außerdem mit dem historischen Kontext und der Psychiatriegeschichte verknüpft.

Am 9. Juni las die Schauspielerin und Sprecherin Carolin Wirth aus Karin Strucks Roman Klassenliebe (1973). Der autobiografisch erzählte Roman verhandelt Fragen nach Herkunft und sozialem Aufstieg – in der persönlichsten Form der Mitteilung, dem Tagebuch. Schreiben ist für Struck (1947–2006) Katharsis, Therapieform und Ordnungshilfe im allumfassenden Alltags-und Liebeschaos. Dass der Roman gleichzeitig auf ein Buch des englischen Psychiaters und Psychiatriekritikers David Cooper, Der Tod der Familie (dt. 1972) rekurriert, zeigt, wie sehr der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Krisen mit individuellem Empfinden verwoben ist. Prof. Dr. Malte Thießen vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte führte in die Zusammenhänge der sogenannten Antipsychiatrie-Bewegung der 1970er Jahre ein und präsentierte weitere sozialgeschichtliche Entwicklungen.

Am 16. Juni fand eine Autorenlesung statt: Andreas Kollender stellt seinen Roman Von allen guten Geistern (2017) über den Bielefelder Arzt und Psychiater Ludwig Meyer (1827–1900) vor. Meyer ist ein Pionier der Psychiatriebewegung und setzte sich leidenschaftlich für neue, humane Behandlungsmethoden ein – auch in Form von spektakulären Protestaktionen. Diese werden in Kollenders Roman, neben Stationen aus Meyers Leben, den Stationen seiner Karriere und Episoden aus dem Psychiatriealltag, mit viel Emphase und sprachlicher Meisterschaft erzählt. Dabei darf die Grenze zwischen historischer Korrektheit und autorenseitiger Fiktion durchlässig bleiben – war doch Ludwig Meyer ebenfalls ein Mann der Literatur, der Patient:innen auch zu künstlerischen Tätigkeiten ermunterte. Als Gesprächspartner kam der Historiker Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl, ein Experte für psychiatriegeschichtliche Perspektiven des 19. und 20. Jahrhunderts, hinzu. Er ordnete Von allen guten Geistern im Gespräch gemeinsam mit dem Autor historisch und psychiatriegeschichtlich ein.

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